Das Ruhrgebiet, Strukturwandel und Start-ups

Wir sind das Ruhrgebiet, die Droge die mich süchtig macht. Das hätt’ ich nie gedacht, komm von Euch nicht mehr los hat schon Wolfang Petry gesungen. Und ja, hier will ich auch nicht weg. Aber warum? Was ist das Besondere? Warum bin ich der Meinung, hier steckt total viel Potential drin und dass dieses so langsam auch abgerufen wird?

Fangen wir vorne an. Das Ruhrgebiet ist das größte Ballungsgebiet in Deutschland. Ca. 5,1 Mio. Menschen wohnen hier in 15 Kreisen bzw. kreisfreien Städten. Und das Ruhrgebiet gilt seit Ewigkeiten als Region des Strukturwandels. Die Geschichte wurde seit dem 18. Jahrhundert durch Industrialisierung, Eisenhütten, Kohleförderung und Stahlerzeugung geprägt. Im Zuge des industriellen Wandels und den modernen Herausforderungen mit dem Klimawandel als der größten wurde das Ruhrgebiet quasi einmal umgekrempelt. 2015 schloss in Marl die vorletzte Zeche, 2018 dann das letzte Bergwerk Prosper-Haniel in Bottrop.

Obwohl Unternehmen wir ThyssenKrupp und Evonik immer noch ihren Hauptsitz im Ruhrgebiet haben, arbeiten nur noch gut ein Fünftel der Erwerbstätigen im Ruhrgebiet im produzierenden Gewerbe. Hier ist ein besonderer Druck, die energieintensiven Wirtschaftszweige auf einen nachhaltigen, CO2-neutralen Weg zu bringen. Klimaschutz muss die Grundanstrengung für den Abschluss des Strukturwandels im Ruhrgebiet sein und erfordert noch mal eine Kraftanstrengung. Mit RWE und E.ON sind zudem zwei Energieriesen ansässig, die ebenfalls die Energiewende mitmachen müssen, um Deutschland zukünftig nachhaltig aufzstellen. Darum kommt jetzt auch das Technologie- und Innovationszentrum Wasserstoff (TIW) nach Duisburg!

Das Ruhrgebiet ist längst auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft, teils gezwungenermaßen. Aus meiner Heimatstadt Bochum kommt schon seit den 70er Jahren keine Kohle mehr. Ich habe in meinem Leben keine aktive Zeche in Bochum erlebt. Alte Schächte und Förderanlagen sind Museen geworden – schöne Industriekultur. Bochum hat bereits den zweiten Wandel hinter sich: Die Schließung der großen Werke von Nokia und Opel haben die Arbeitsstruktur der Stadt aufgebrochen und Platz für Neues gemacht. Und das gilt es nun, sinnvoll zu füllen.

Statt der großen Konzernstandorte vorher gibt es nun zahlreiche kleinere und innovative Firmen. Das Ruhrgebiet bildet ein starkes Start-up Ökosystem aus und nutzt dabei die alten Stärken. Hier werden keine Einhörner gesucht (Start-ups mit einer Bewertung über 1 Mrd. €), wie es bspw. in Berlin angesagt ist, sondern häufig solide B2B (business-to-business) Modelle etabliert. In Bochum zieht vor allem die Cyber Security. Mit Physec ist in Bochum der Gewinner des European Cybersecurity STARTup Award ansässig. Das neue Max-Planck-Institut wird zusammen mit dem Horst-Görtz-Institut und der Ruhr-Universität Bochum die Forschung und Entwicklung von der weltweiten Spitze gestalten. GData ist seit Ewigkeiten etabliert. Dazu kommen die Branchen Health, Materials und Smart Systems. Im Ruhrgebiet entwickelt sich das Rückgrat der neuen Industrie. Und das ist auch klar, denn mit dem großen Hochschulnetzwerk bietet das Ruhrgebiet ideale Bedingungen, um Fachkräfte zu generieren. Die Infrastruktur ist gut und der Wohnraum bezahlbar, auch wenn hier zunehmend Probleme entstehen.

Biontech ist ein Beispiel, was gerade in einer außergewöhnlichen Pandemiesituation aus geförderten Projekten entstehen kann. Ein Start-up als Ausgründung aus der Universität in Mainz. Mit viel Potential, aber ohne zugelassene Produkte bis zur Pandemie. Und trotzdem war es gerade Biontech, die mit als erstes einen wirksamen, ersehnten Impfstoff gegen COVID19 entwickeln konnten.

Und darum brauchen wir auch Innovation und Start-ups, die den notwendigen Wandel befeuern. Und diese müssen zukunftsfähig aufgestellt werden. Das bedeutet ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltig. Und das bedeutet ebenso wettbewerbsfähig. Daher soll Mitarbeiter*innenbeteiligung (und zwar echte) ermöglicht werden. Start-ups müssen bei öffentlichen Vergaben berücksichtigt werden. Melde- und Berichtspflichten sind in der Anfangsphase auszusetzen, sodass die Konzentration auf das Wesentliche gerichtet werden kann. Zentrale Anlaufstellen mit Informationen, Beratung und Anmeldung überall in Deutschland müssen den komplizierten und bürokratischen Gründungslauf stark vereinfachen. Gründungszentren regional gebündelt und vor allem angebunden an die Hochschulen bestärken den Wissenschaftstransfer. Institutionelle Beteiligungen verhindern einen harten Übergang, unterstützen den Transfer von Wissen, Patenten und IP ins Unternehmen und sorgen für einen Kapitalrückfluss in die Systeme. Greentech und Social Entrepreneurships stehen im Fokus. So schaffen wir Gemeinwohl und nutzen die soziale Marktwirtschaft für eine echte Wirkung.

Knapp mehr als 15% der Gründer*innen sind Gründerinnen.

In der Start-up Welt fällt häufig der Begriff der Disruption. Er beschreibt das Aufbrechen einer Branche oder eines Verfahrens durch etwas Neues, das Umkrämpeln bestehender Systeme. Das Etablieren neuester Technologien. Das brauchen wir. Innovation, Stützung von Gründungen, alte Cluster nutzen und ausbauen, im Ruhrgebiet Kräfte bündeln und mobilisieren. Den Wandel vorantreiben. “Veränderung schafft Halt” heißt es in der Überschrift des GRÜNEN Grundsatzprogramms. Die Welt steht nicht still. Vernetzung und Globalisierung können und brauchen nicht rückgängig gemacht werden. Das Ruhrgebiet ist Teil dieses Netzes. Verändern wir die Systeme so, dass wir Menschen mit der Welt, die uns erhält, im Einklang leben. In Würde und Freiheit. Solidarisch und klimaneutral. Divers und nachhaltig. Integrativ und modern.